Das LG Osnabrück entschied: Besteht der Verdacht, dass nach einer Operation ein Werkzeug oder Werkzeugteil im Körper des Patienten verblieben ist, so muss diesem Verdacht umgehend nachgegangen werden. Geht der Arzt einem solchen Verdacht nicht nach, begeht er damit einen groben Behandlungsfehler.
Im konkreten Fall hatte der Kläger sich einer Operation seines Knies beim Beklagten Arzt unterzogen. Während der Operation hatte sich die Spitze des Tonkars gelöst und war im Knie des Patienten verblieben. Nachdem der Arzt das Fehlen der Spitze bemerkte, und die Spitze des Tonkars auch im Operationsraum nicht auffinden konnte, notierte er sich den Verdacht auf den verbleib der Spitze im Knie des Patienten. Weitere Maßnahmen unternahm er erstmal nicht. Der Verbandswechseln und das Fädenziehen fanden statt, ohne dass der Patient über den Verdacht informiert wurde.
Erst als der Patient sich einen Monat später, wegen erheblicher Schmerzen im Knie, erneut in die Praxis begab, unterzog ihn der Arzt einer Röntgenuntersuchung, die den Verbleib der Werkzeugspitze im Knie bestätigte. Die Spitze wurde daraufhin operativ entfernt.
Der Kläger macht geltend, die Werkzeugspitze habe tiefe Rillen im Knorpel seines Kniegelenks verursacht. Wegen dieses Dauerschadens sei es im nur sehr eingeschränkt möglich, seinen Hobbys wie Wandern und Volleyballspielen nachzugehen.
Nachdem dem Kläger zunächst ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.000 EUR zugesprochen wurde, ging er in Berufung. Er war der Meinung, das Landgericht habe die Dauerschäden in seinem Knie zu gering berücksichtigt.
Das LG Osnabrück sprach dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 EUR zu. Bei der Urteilsbegründung standen zwei Dinge im Vordergrund: Der verbleibende Dauerschaden im Knie des Klägers, sowie das erhebliche Verschulden des Beklagten.
Zum Dauerschaden führt das LG Osnabrück aus, dass vor allem das Alter des Klägers von 46 Jahren dem Schaden erhebliche Bedeutung zukommen lässt. Die Schmerzensgeldberechnung des Senats erfolgte dabei dennoch in Hinblick darauf, dass das Knie des Klägers bereits vorgeschädigt war.
Entscheidend sei jedoch vor allem das Verschulden des Arztes. Indem dieser lediglich eine Notiz in die Akte machte, sonst aber nichts weiter unternahm, habe er deutlich gemacht, sich mit der Verwirklichung des Risikos abgefunden zu haben. Dabei muss es dem Beklagten bewusst gewesen sein, dass der Verbleib des Werkzeugteils zu Schäden im Knie führen könnte. Selbst wenn der Beklagte fahrlässig auf das Ausbleiben einer Schädigung vertraut hätte, so könnte man ihm grobe Fahrlässigkeit vorwerfen. Auch dann läge ein grober Behandlungsfehler vor.
BeckRS 2018, 26066; beck online